Praxisbeispiel · 6. September 2019

Alte Erfolgsmodelle in Vertrieb und Marketing auf dem Prüfstand

Digitalisierung und Marke – geht das überhaupt? Mit einer Befürchtung laufen wir doch in vielen Sales- und Marketing-Organisationen durchs Land: Überall Automatisierung, Digitalisierung, hohes Tempo in der Lead-Generierung und plötzlich wird alles in Frage gestellt. Was wir mal gelernt haben – selbst die bisher erfolgreichen Methoden und Prozesse – verschwindet in einem riesigen Sog der Unsicherheit, zumindest auf den ersten Blick.

Veränderungen machen Sinn aber nicht um jeden Preis

Zunächst mal eines zur Klarstellung: aktuelle Erfolgsmodelle hin und wieder auf den Prüfstand zu stellen, um die Zukunftsfähigkeit zu überprüfen, kann nicht schaden – das ist eine der wichtigsten kontinuierlichen Managementaufgaben in Vertrieb, Marketing und Aftersales – also erst mal nix neues.

Und auch das sei gesagt: Alles was an neuen Methoden, an neuen Erkenntnissen oder an Modernitäten auftaucht muss nicht zwangsläufig schlecht und unbrauchbar sein – in diesem Spagat zwischen vernünftigem Bewerten und mutigen Entscheiden bewegen wir uns nun mal. Und das übrigens nicht erst seit der medial leicht abgenutzten Vier-Punkt-Null-Euphorie.

Allheilmittel Inbound?

Die hohe Kunst ist, in der aktuellen Druck- und Erwartungssituation nachweislich Erfolgreiches zu bewahren, zu optimieren und intelligent mit dem Neuen zu verzahnen. Nehmen wir zum Beispiel Inbound-Techniken in Marketing-Prozessen: was spricht dagegen Bedürfnisorientierter, schneller und online-fokussierter in den Markt zu gehen? Das bedeutet jedoch auf der anderen Seite nicht zwangsläufig die herausragend gut ausgebildeten Kolleginnen und Kollegen im Vertrieb gedanklich nach Hause zu schicken – es reicht schon zu verstehen, dass diese herausragende Vertriebskompetenz angereichert, erweitert und entwickelt werden kann.

Das Zusammenspiel aus intelligenten Inbound-Konzepten und professionellen Vertriebs-Einheiten dürfte ein zentraler Erfolgsfaktor erfolgreicher Marktbearbeitungsstrukturen in den nächsten Jahren sein.

„Kollege Algorithmus“ weiß auch was.

Am Ende heißt das Zauberwort Akzeptanz, es fällt noch heute erfahrenen B2B-Vertriebsexperten schwer, die digitalen Wahrheiten oder die Ergebnisse des Kollegen Algorithmus zu akzeptieren. Was spricht denn dagegen, das Online-Kommunikationsverhalten meines Kunden zu nutzen, um herauszufinden, dass er gerade unzufrieden, wechselwillig oder so was von kaufbereit ist? Tja, genau da kann uns die digitale Echtzeit-Erkenntnis zumindest einen hilfreichen Hinweis geben. Wir erleben in Projekten sogar Menschen in Marketing und Sales, die mit dem digitalen Kollegen im Spiel, ihre Effizienz deutlich erhöhen, schneller ans Ziel kommen und abends früher Ihre Familie sehen – auch das kann ein Ergebnis von Digitalisierung sein…

Die gute alte Marke – hat Branding ausgedient?

Oder nehmen wir mal ein ganz anderes Thema: die Marke! Gibt es die noch oder wird sie von der Content-Flutwelle erfasst und weggespült? Die interessante Konkurrenz zwischen Content und Marke ist schon älter als wir denken, am Ende geht es nicht um Gewinnen oder Verlieren – es geht um Zusammenspiel.

Starke, kraftvoll und robust aufgebaute Marken werden ihre Wirkung nicht einbüßen, sie wirken allerdings an anderen Stellen und manchmal zu anderen Zeitpunkten. In die Kraft der Marke zu investieren, sie stabil und sichtbar zu halten, bleibt eine herausragende Aufgabe der modernen Marktbearbeitung – die Wirkung allerdings wird subtiler. Warum? Weil sich der Kaufentscheidungsprozess verändert. Die Customer-Journey beginnt zu 80% bei Google – Punkt! Ob man das mag, ob man das gut findet, ob man das am besten auch noch moralisch bewerten will, kann jeder für sich entscheiden – manchmal muss man Realitäten akzeptieren und am besten nutzen. Das bedeutet erst mal nichts anderes, als dass wir in den Kaufentscheidungsprozess online, bedürfnisorientiert und content-getrieben einsteigen (das gilt übrigens auch im B2B-Segment als kleiner Hinweis für alle Industrie- Verkäuferinnen und -Verkäufer, die schon jetzt die Hand heben: „bei uns ist das alles anders…“) – mehr nicht. Ob wir dann online tatsächlich kaufen, ob wir abbiegen oder ob wir am Ende dann doch auf die kraftvollen Marken stoßen, die vor allem emotional unsere Kaufentscheidung stabilisieren, das ist weder prognostizierbar noch manipulierbar.

Kaufentscheidung = Content x Marke

Aber lassen Sie uns doch gerne bei den guten Nachrichten bleiben: wer seine Inhalte, seine Botschaften und Lösungen bedürfnisorientiert und online in den Markt spielt, macht schon mal ziemlich viel sinnhaftes – wenn er dann im Laufe des Kaufentscheidungsprozesses eine kraftvolle, konsistente und sichtbare Marke zu bieten hat, dann kann er im Pricing anders zaubern und kann, ganz wie früher, zufriedenen Kunden gewinnen. Am Ende sorgt die konsistente und sichtbare Marke für Sicherheit, für Erlebnis, für Bindung – das kann nicht schaden.

Wir sind in einem Projekt noch weiter gegangen: Wir haben die Marke in vielen Prozessen und Lösungsworkshops zum entscheidenden Bindeglied in der Kundengewinnung und Kundenbindung gemacht – in dem konkreten Falle geht es um ein sehr besonderes Marktumfeld: ein 5-Sterne-S-Hotel, also wenn man so will das Luxus-Segment der Übernachtungsbranche. Die konkreten Herausforderungen und Erkenntnisse in diesem Projekt dürften aber ausgesprochen transferfähig sein.

Verfasst von: Norbert Wölbl

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