Referenzbericht

Mutation ist per se kein Fehler

Selecta one mit Hauptsitz in Stuttgart ist einer der weltweit führenden Züchter, Produzenten und Vermarkter von vegetativ vermehrbaren Zierpflanzen. Im Interview spricht der geschäftsführende Gesellschafter Per Klemm über Klone, Diversität und zukunftssichernde Veränderung.

Foto: Selecta one

Der Fair-Trade-zertifizierte Züchter, Produzent und Vermarkter vegetativ vermehrbarer Pflanzen wächst jährlich um rund sieben Prozent. Schlüsselpositionen am Stammsitz in Stuttgart besetzt Selecta one mit Unterstützung von Liebich & Partner.

LuPe: Herr Klemm, werden Zierpflanzen vegetativ, z. B. über Stecklinge vermehrt, gleicht eine Pflanze der anderen. Alle tragen das gleiche Erbgut. Kommt es dennoch manchmal zu Mutationen?

Per Klemm: Beim Klonen mutiert eine Pflanze statistisch gesehen in einem von zehntausend Fällen. Wenn Sie Menge produzieren, bleibt Mutation also nicht aus. Wichtig für den Sortenschutz ist, dass diese Quote gering ist: Um anerkannt zu werden, sollte eine neue Sorte im Erbgut stabil, uniform und zugleich distinkt, also von anderen Sorten unterscheidbar sein.

Was sind Auslöser für Mutationen?

Sie können genombedingt sein. Wenig stabile Sorten können, manchmal durchaus gewünscht, beispielsweise eine hohe Farbvarianz in der Blüte aufweisen. Äußere Faktoren wie Umwelteinflüsse spielen ebenfalls eine Rolle. In der Züchtung lässt sich das nutzen, indem man durch Bestrahlung gezielt die Mutationsrate einer Pflanze erhöht.

Sind Mutationen Fehler oder Fortschritt?

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Mutation ist per se kein Fehler. Das würde Entwicklung unterbinden. Bei der Züchtung von Pflanzen, egal ob sie auf Mutation oder anderen Methoden beruht, lautet das erste Ziel, Vielfalt herzustellen, eine große Bandbreite an Genotypen wachsen zu lassen und zu bewerten. Das zweite Ziel ist, aus dieser großen Varianz das zu selektieren, was sinnvoll und kommerziell relevant ist. Entsprechend werden manche der neuen Varianten aussortiert, andere erhalten einen Platz neben der Ursprungssorte, wieder andere ersetzen diese, weil sie deutlich besser sind.

Per Klemm
Geschäftsführender Gesellschafter
Unternehmensgruppe Selecta one

Welche Kriterien legen Sie bei der Weiterentwicklung der Sorten an?

Die Produktentwicklung berücksichtigt mehrere Bewertungsebenen. Für uns als Jungpflanzenproduzent ist wichtig, wie produktiv die Pflanze ist, ob sich die Stecklinge gut bewurzeln etc. Für den Gärtner spielen die Robustheit der Sorte, ihre Wuchsschnelligkeit oder die notwendige Gewächshaustemperatur eine Rolle. Ob Sie Weihnachtssterne bei 23 oder 17 Grad großziehen, macht einen wirtschaftlichen Unterschied. Der Handel legt Wert auf die Haltbarkeit und den geringen Pflegebedarf am Verkaufsort. Zierwert in Garten oder Haus zielen dann auf den Endkunden. Diese Vielschichtigkeit macht die Sortenbewertung aufwendig und langwierig. Schnellwachsende Arten, beispielsweise neue Petuniensorten, sind nach drei bis vier Jahren marktfähig, andere wie der Weihnachtsstern erst nach sieben, acht Jahren.

Wie wichtig ist die Weiterentwicklung der Pflanzen? Wie wichtig die des Unternehmens?

Beides sichert unsere Wettbewerbsfähigkeit. Früher waren wir ein Jungpflanzenproduzent, der auch züchtet. Heute sind wir ein Züchter, der auch Jungpflanzen produziert. Grund dafür ist die fortschreitende Konsolidierung in der Branche: Wir haben global nur noch fünf Wettbewerber. Das treibt uns an, laufend besser zu werden – sowohl mit Blick auf unsere Sorten und deren Wirtschaftlichkeit als auch hinsichtlich ressourcenschonender Produktionsverfahren. Bei Letzterem geht es uns ebenso um die Wertschöpfung wie um die Nachhaltigkeit. Klimaverantwortung ist uns als Zierpflanzen- züchter verständlicherweise wichtig. Die notwendigen Investitionen für unsere Weiterentwicklung erwirtschaften wir durch Unternehmenswachstum. Wachstum und der Ausbau unserer Kapazität im Bereich Forschung und Entwicklung gehen miteinander einher.

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Spannender Praxisbericht aus der LuPe No. 31

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