Ziele festlegen, planen, handeln. Die linear-kausale Managementlogik ist bewährt, wo verlässliche Prognosen eine klare Zieldefinition ermöglichen und Informationen eindeutig interpretierbar sind. In unvorhersehbaren VUKA-Zeiten stößt sie an ihre Grenzen, da helfen auch keine Experten und keine Marktforschung. Wer abwartet, bis wieder mehr Gewissheit herrscht, geht das Risiko ein, vom Wettbewerb abgehängt zu werden. Wer handelt, um wieder mehr Gewissheit zu erlangen, hat zumindest die Chance auf Erfolg. Lassen sich Innovationsprojekte oder gar Unternehmen steuern, ohne zu wissen, wohin die Reise geht?
Was paradox anmutet, hat die amerikanische Wissenschaftlerin und Professorin Saras Sarasvathy in einer Studie mit erfahrenen Unternehmen empirisch erforscht und daraus die Methode Effectuation abgeleitet, die nicht nur, aber auch im Innovationsbereich neue Möglichkeiten erschließt. Anders als beim linear-kausalen Vorgehen, bei dem erst alles durchdacht und anschließend gehandelt wird, greifen bei Effectuation Denken und Handeln laufend ineinander. Die Methode umfasst mehrere Prinzipien, die Entscheiderinnen und Entscheider dabei unterstützen, auch beim Fehlen konkreter Ziele und bei ungewisser Informationslage wirksam zu handeln und Zukunft in kleinen Schritten zu kreieren.
Die Prinzipien verändern im Grunde nur die Betrachtungsweise: Fehlen verlässliche Prognosen und Informationen, öffnet statt einem zielorientierten „Was sollte man tun?“ das mittelorientierte „Was kann man tun?“ mögliche Gestaltungsräume. Lässt sich der Invest in weitere Schritte mangels Wissens nicht vom erwartbaren Erfolg abhängig machen, wird der leistbare Verlust entscheidend. Zufälle gelten nicht mehr als auszugrenzendes Risiko für die Zielerreichung, sondern als Chance einem konkreten Ziel näher zu kommen. Partner sind nicht richtig oder falsch, sondern alle, die einen Beitrag leisten können und wollen, sind willkommen.
Effectuation steht damit für ein anfänglich ergebnisoffenes Arbeiten, das, obwohl mögliches Scheitern inbegriffen ist, kontrolliert und mit kalkulierbarem Risiko erfolgt. Initiiert wird ein Prozess, dessen Ergebnis sich erst im Verlauf abzeichnet. Das Vorgehen versteht sich nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung zur linear-kausalen Managementlogik. Es macht immer dann Sinn, wenn die linear-kausales Logik ins Leere läuft und wird wieder von ihr abgelöst, wenn Ergebnisse und Ziele sich konkretisieren.
Bei Unternehmensgründungen haben sich Effectuation-Prinzipien schon lange etabliert. William Wrigleys beispielsweise startete 1891 mit Seife, wechselte auf Backpulver und landete 1893 durch Zufall bei dem bis heute erfolgreichen Kaugummi. Bestehende Unternehmen denken meist lieber in bewährten alten Bahnen. Ist das Ergebnis ungewiss, nehmen sie aus Sicherheitsdenken den Stillstand in Kauf. Effectuation erlaubt die umgekehrte Herangehensweise: Was noch ungewiss ist, kann man gestalten. Die Methode aktiviert die Innovationskraft in Unternehmen und fördert die Suche nach dem radikal Neuen. Was spricht dagegen, Mitarbeitenden im Innovationsbereich die Grundlagen von Effectuation zu vermitteln, die Entscheidungsprozesse entsprechend zu strukturieren und mit dem anzufangen, was möglich ist?