Aus Sicht von Dipl.-Oec Steffen Hilser sind die linearen Möglichkeiten der Unternehmensweiterentwicklung endlich. Das gilt es zu akzeptieren. Um ihre Zukunft zu sichern, müssen Unternehmen das Neue wagen und ins Risiko gehen. Was wird, hat jede und jeder, haben wir alle mit in der Hand.
Unternehmen entwickeln sich weiter und optimieren ihre Produkte, ihre Prozesse, ihre Organisation. Ein Zielgerüst, das perfekt von oben nach unten durchdekliniert wird, gibt den Führungskräften der verschiedenen Ebenen dabei die Richtung vor. Will das Unternehmen beispielsweise fünf Prozent mehr Marktpotential rausholen oder zehn Prozent Supply-Chain-Kosten einsparen, muss die erste Ebene das umsetzen, die nächste dies erreichen etc. Zielableitung und -kaskadierung sind hier die Schlagworte.
Das Vorgehen ist tradiert, manifestiert und belohnt Führungskräfte ergebnisorientiert. Fraglich ist aber, wie weit dieses systemverwaltende Führen Unternehmen angesichts der aktuell herrschenden Umbruchzeiten noch in die Zukunft trägt. Die Gefahr, den Anschluss zu verpassen, ist hoch.
Das Sicherheit vermittelnde Zielgerüst los- und stattdessen Unsicherheit zuzulassen, ist ein großer Schritt. Doch es ist höchste Zeit, dass auch „gesettelte“ Unternehmen wieder Pioniergeist entwickeln, wieder Lust daran finden, Neues zu erkunden und ihre Zukunft tatsächlich gestalten. Das erfordert Risikobereitschaft, vor allem aber auch ein Handeln, bevor aus der aktuellen Ertragskrise der Unternehmen eine Liquiditätskrise wird. Nur Unternehmen, die im System stark genug sind, können am System arbeiten.
Wie lässt sich ein Unternehmen in die Zukunft führen? Führung braucht Ziele. Das gilt auch in Phasen der Ungewissheit. Entscheidend ist allerdings, was zum Ziel erklärt wird. Auf die Systemoptimierung ausgelegte, „Ziele in the box“ sind zahlenorientiert. Im volatilen Umfeld bedingt das klassische Führen über Zahlen eine erhöhte Zielerreichungstoleranz, die Ziele müssen kurzzyklisch geprüft und immer wieder angepasst werden. „Ziele out of the box“ hinterfragen das aktuelle System dagegen grundsätzlich, um eine neue Richtung zu finden und eröffnen mit zunehmender Konkretisierung Zukunftsperspektiven.
„Entscheidend ist, was zum Ziel erklärt wird.“
Geführt wird hier nicht mehr über Zahlen, vielmehr geben die Kompetenzen und Potentiale der Menschen die Richtung vor. Zielbestimmend ist, was mit dem Team machbar und realisierbar ist. Das bedingt, angefangen bei den Top-Entscheiderinnen und Top-Entscheidern, Führungskräfte, die nah an den Mitarbeitenden sind, die das Können und Wollen ihrer Teams kennen, ihnen kreativen Freiraum geben, ihnen vertrauen und etwas zutrauen – immer verbunden mit der Bereitschaft, Niederlagen zu akzeptieren und aus diesen zu lernen. Ohne Risiko geht es nicht.
Keine Führungskraft, auf welcher Ebene auch immer, wird jedoch von der Norm abweichen, am System arbeiten und Risiken eingehen, solange sie für das Gegenteil ökonomisch belohnt wird. Damit sind wir bei den gängigen Belohnungs- und Anreizsystemen und ganz oben im Unternehmen angekommen. Nur wenn Inhaber und Aufsichtsgremien umdenken und neben der ergebnisorientierten Arbeit im System, die zukunftssichernde Arbeit am System in den Blick nehmen, können sich Führungskräfte aus dem Zahlenkorsett befreien und mutig Zukunft gestalten – gemeinsam mit den Menschen im Unternehmen, die dazu fähig und bereit sind sowie bedarfsgerecht unterstützt von externen Experten.
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„Im Scheitern lernt man mehr, als wenn man immer nur erfolgreich ist.“