Fachbeitrag · 5. September 2022

Erfolgreich in internationalen Märken wachsen

Systeme
Die Marktgegebenheiten sind vielfältig, komplex und zunehmend herausfordernd.

Komplexe internationale Wachstumsstrukturen stellen viele Unternehmen zunehmend vor vielfältige Herausforderungen. Die Vielschichtigkeiten und Abhängigkeiten von nicht beeinflussbaren Faktoren wie unterbrochene Handelsketten, drohende Lieferengpässe und ein Höchststand an Kündigungswellen wachsen stetig und rasant. Gleichzeitig nehmen die sog. Attraktivitätsfaktoren wie beispielsweise Marktreife oder Wachstumspotenzial im Zielmarkt nur selten ab. Einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren einer internationalen Wachstumsstrategie ist daher die objektive Vergleichbarkeit von Attraktivität anstelle einer klassischen intuitiven Entscheidungskultur.

Internationale Marktbearbeitungsstrategie

Unternehmerisches Wachstum ist nahezu Teil einer jeden Internationalisierungsstrategie. Während das Bekenntnis zur Internationalisierung oftmals leichtfällt, sind die Marktgegebenheiten vielfältig, komplex und zunehmend herausfordernd: Die Unberechenbarkeit von Märkten nimmt zu, das Kundenverhalten ist selten verlässlich und prognostizierbar, neue Wettbewerber betreten die Bühne – oftmals aus E-Commerce-Umfeldern – und ignorieren erfolgreich alle gelernten Spielregeln.

Erfolgreiche internationale Marktbearbeitungskonzepte fußen insbesondere auf drei wesentlichen Erfolgskriterien:

  1. klar nachvollziehbarer Attraktivitätsindex
  2. realistische Einschätzung des Marktvolumens
  3. Mutige Führungs- und Steuerungsprinzipien mit intelligente Verantwortungsmodellen

Nicht wenig Unternehmen haben jahrelang das Zufallsprinzip zur strategischen Leitlinie gemacht und stehen häufig vor folgenden Fragen: Einfach mal überall unterwegs und auf einen „Treffer“ hoffen oder valide Konzentration auf hochattraktive Regionen? In welchen Ländern und Regionen machen Wachstumsinvestitionen und der Aufbau eigenständiger Organisationen Sinn? Wo ist es ausreichend, mit den richtigen Handelspartnern zu arbeiten? Und wo ist aktive Markterschließung überhaupt strategisch sinnvoll?

Bei der Beantwortung dieser Fragen kann aus unserer Sicht ein einheitlicher Attraktivitätsindex die Führung übernehmen, der eine Reihe von Schlüsselfaktoren, die sog. Attraktivitätsfaktoren objektiviert betrachtet und Investitionen und Ressourcen bündelt. So brauchbar und wertvoll intuitive Entscheidungen auch sein mögen, bei der Auswahl von Ländern und Regionen in der internationalen Marktbearbeitung können sie sich — oft erst nach Jahren — als katastrophale Fehlentscheidungen erweisen.

Attraktivitätsfaktoren von Ländern und Regionen

Die sogenannten Attraktivitätsfaktoren der Länder und Regionen hängen von der Branche, dem Produktportfolio und den Marktrealitäten vor Ort ab. Hier eine kleine Auswahl von Attraktivitätsfaktoren die wir als typisch und elementar in vielen Projekten identifiziert haben:

  • Marktvolumen (aktuell)
  • erreichbarer Markt (aktuell)
  • Wachstumspotenzial im erreichbaren Markt in den nächsten fünf Jahren
  • Marktreife
  • Struktur des Wettbewerbs
  • politische Stabilität
  • Marken-Differenzierungspotenzial

Die Erfahrung aus vielen Projekten zeigt: Das überprüfbare und valide Wissen zu den genannten Punkten ist oft genug Mangelware in den Unternehmen. Es ist übrigens auch nicht immer einfach, dieses Wissen zu besorgen und über wenigstens zwei, besser drei Quellen abzusichern. Eine erste durchaus umfangreiche Aufgabe sollte es daher sein, belastbare Daten, Zahlen und Fakten zum Markt zu beschaffen. Das muss auch nicht immer das große Marktforschungsprojekt sein. Oft liefert eine Mischung aus belastbaren volkswirtschaftlichen Daten, qualitativen und professionell durchgeführten Befragungen mehrerer unterschiedlicher Marktteilnehmer schon brauchbare Ergebnisse für eine erste Entscheidungsgrundlage.

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Steuerung und Führung in internationalen Märkten

Einer weiteren Schlüsselfrage, der wir uns hier kurz noch widmen wollen, ist die Steuerung und Führung in internationalen Märkten. Spätestens jetzt prallen Führungsprinzipien, Prozesse der Marktbearbeitung und Systeme aufeinander.

Zunächst gilt es, die Vergleichbarkeit abzusichern. Das heißt im Klartext mit einheitlichen Maßstäben von Erfolg, von Zielen und von Kennzahlen arbeiten. Länderstrategien, die aus der Feder der Länderverantwortlichen stammen, haben meist deutlich höhere Erfolgsaussichten. Damit verbunden ist im Idealfall ein Steuerungsprinzip, das sich am Ende über Verantwortung definiert. Verantwortung da, wo sie hingehört, wobei marktkonforme Prozessanpassungen zulässig sind und begründet werden müssen. So kann im Land A die Lead-Generierung erfolgreich über Mobile-Marketing laufen, was aber nicht zwangsläufig die Blaupause für alle anderen Fokus-Regionen sein muss. Auch interkulturelle Besonderheiten in der Botschaft des Markenkerns lassen sich nicht mit weltweit einheitlichen Videotrailern transportieren. Wofür allerdings die Marke steht, ist nicht diskutabel.

Marktvolumen und erreichbarer Markt

Konzentrieren wir uns auf die vermeintlich einfache Frage nach Marktvolumen und erreichbarem Markt. Oft lässt man sich von riesigen Marktvolumen blenden und vernachlässigt dabei die Dimension „erreichbarer Markt“. Ein frei konstruiertes Beispiel: Nehmen wir ein Unternehmen im Segment der Industriebeleuchtung, es gehört im deutschsprachigen Raum zu den Top-Playern und blickt auf einen Marktanteil von über 10 Prozent. Das Unternehmen zählt zu den Premium-Anbietern, bietet moderne und durchdachte Service-Pakete und agiert im oberen Preissegment.

Angenommen das Marktvolumen für Industriebeleuchtung liegt in Europa bei ca. 10 Mrd. Euro. Der tatsächlich erreichbare Markt mit Blick auf die Produktlösungen und das Preissegment liegt für dieses Unternehmen bei etwa 4 Prozent also bei 0,4 Mrd. Euro – und genau das ist die entscheidende Größe. Wir lassen uns allzu oft von den großen Zahlen, dem nicht erreichbaren Marktvolumen, zu strategischen Annahmen verleiten. Würde man sich also bei der Investitionsentscheidung nur nach dem Marktvolumen richten, könnte es zu einer fatalen Fehlentscheidung kommen. Der Reifegrad von Märkten für die eigenen Lösungen kann eine erhebliche Rolle spielen und kann das Marktpotenzial auf ein Niveau herunterdrücken, für das es sich nicht mal lohnt, eine Handelsvertretung zu suchen. Würde man dann beispielsweise noch ein zweites Kriterium hinzufügen, zum Beispiel politische, oder logistische Markteintrittsbarrieren, so könnte es durchaus zu neuen realitätsnahen Einschätzungen kommen.

Wer in internationalen Märkten erfolgreich wachsen will, sollte virtuos mit der langen Leine in Sachen Führung und Steuerung umgehen können und gleichzeitig systemische, kulturelle und organisatorische Handlungsfelder und damit auch klare rote Linien definieren. Es gehört Mut dazu, Freiräume und Handlungsräume auf der einen Seite zuzulassen, und auf der anderen Seite für klare Prinzipien und einheitliche methodische Vorgehensweise zu stehen.

Norbert Wölbl
Partner, Managementberater Strategie & Markt, Key Note Speaker
Liebich & Partner

Verfasst von:

Norbert Wölbl
Partner, Managementberater Strategie & Markt, Key Note Speaker
Liebich & Partner

Norbert Wölbl ist Experte für marktorientierte Unternehmenssteuerung – ein zentraler Verantwortungs- und Erfolgsfaktor auf Top-Ebene. Entscheidern in Geschäftsführung, Marketing und Vertrieb verhilft er in Change- …

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