Experten Statement · 11. April 2025

Der französische Markt: Erfahrungen deutscher Unternehmer

Nina Meyer, Vorständin der Personalberatung von Liebich & Partner und Beraterin des deutsch-französischen Markts über ungenutztes Potenzial und Erfolgshebel im Nachbarland.

Frankreich ist einer der größten Märkte Europas. Von etwas mehr als 2.100 dortigen Unternehmen sind, laut der CCI France Allemagne, der französischen Handelskammer, die Endeigentümer in Deutschland ansässig. Wie agieren diese Unternehmen in Frankreich und mit welchen Perspektiven?

Diese Frage stand im Mittelpunkt der branchenübergreifenden Gespräche, die Nina Meyer, Vorständin und Personalberaterin bei Liebich & Partner in den vergangenen Monaten mit deutschen Unternehmern und Führungskräften führte, deren Unternehmen in Frankreich aktiv sind. Ziel der Interviews war es, ein aktuelles Stimmungsbild zur Lage deutscher Unternehmen in Frankreich zu zeichnen, Chancen sowie Herausforderungen im Nachbarland aufzuzeigen und die Zukunft des dortigen Markts einzuschätzen.

Von den befragten Unternehmen sind über 90 Prozent bereits seit mindestens fünf Jahren auf dem französischen Markt aktiv. Mehr als 80 Prozent der befragten Unternehmen haben lokale Vertriebs- und Servicestandorte oder beschäftigen einzelne Vertriebsmitarbeiter im Land. Nur etwa 20 Prozent der befragten Unternehmen haben produzierende Tochterunternehmen in Frankreich. Die Befragung hat gezeigt, dass etwa 70 Prozent der Unternehmen unzufrieden mit den Ergebnissen des Frankreichgeschäfts sind. Sie verweisen hierbei auf stagnierende Umsätze, hohen Preisdruck und instabile Teams.

1. Preissensibler Markt

Einigkeit bei den Gesprächspartnern herrscht darüber, dass der französische Markt bedeutend ist und vielfältige Möglichkeiten bietet. Er gilt als berechenbar, verlässlich und sicher. Er wird als sehr preissensibler Markt empfunden und in vielen Branchen ist es herausfordernd, deutsche Premium-Produkte zu vermarkten.

Nina Meyer: „Frankreich ist in dieser Hinsicht ein widersprüchliches Land. Es stimmt – bei manchen Produkten wird stark auf den Preis geschaut und weniger die Qualität und der langfristige Nutzen (Langlebigkeit) etc. gesehen. Andererseits ist es auch das Land des Luxus, der teuren Speisen, Weine, Mode und Lederwaren. Nach unseren Erfahrungen fehlt es oft an landesspezifischem Marketing und auf den Markt abgestimmten Vertriebsargumenten, wenn Premium-Produkte aufgrund ihres Preises scheitern.“

2. Unterschätzte Marktpotenziale

Die Zeiten des Wachstums auf der „grünen Wiese“ sind nach Einschätzung einer Mehrzahl der Befragten vorbei. Der Markt ist in vielen Industriezweigen gesättigt und für viele Unternehmen sind Umsatzsteigerungen nur noch durch zusätzliche Leistungen oder Marktanteilsgewinne auf Kosten der Wettbewerber realisierbar. Hier setzen viele Branchen auf zusätzliche Wartungs- oder Serviceleistungen.

Meyer: „Das Anbieten zusätzlicher Leistungen macht Sinn. Allerdings wird das Potenzial des Marktes unserer Erfahrung nach oft unterschätzt, da der Markt „aus der Ferne“ mit weniger Systematik bearbeitet wird als der deutsche Markt. Wir empfehlen daher, nochmal genau hinzuschauen, den Markt zu Chefsache zu machen, um weitere Marktpotenziale zu identifizieren und zu heben.“

3. Hohe Serviceerwartungen

Französische Kunden haben nach den Erfahrungen der Befragten hohe Erwartungen an Beratung, Betreuung und Service, was deutsche Prozesse und Strukturen mitunter durcheinanderbringt. So äußern französische Kunden oft den Wunsch nach einer Individualisierung von Produkten oder Leistungen. Hinzu kommt, dass diese Anpassungen aus Sicht eines französischen Kunden Service sind und somit nicht fakturierbar. Dies führt dazu, dass Projekte mit Frankreich am Ende wenig rentabel sind.

Meyer: „Unsere Mandanten haben gute Erfahrungen damit gemacht, Verträge kulturspezifisch zu gestalten. Wir können aus unserer Sicht bestätigen, dass französische Unternehmen sehr anspruchsvoll in der Betreuung sind. Hier gilt es, die Verträge in Bezug auf diese Serviceleistungen entsprechend zu gestalten.“

4. Erfolgreich im Vertrieb

Der französische Markt ist aus Sicht der befragten Unternehmen vom Ausland aus schwer zu steuern und noch schwerer zu entwickeln. Insbesondere im Vertrieb hat der Aufbau persönlicher Beziehungen höchste Priorität. Vertriebsstärke und -methodik sind in Frankreich oft entscheidend. Erst wenn eine persönliche Beziehung etabliert ist, kommt das technische Know-how ins Spiel. Dies erfordert Mitarbeiter vor Ort, die nicht nur die Sprache beherrschen, sondern auch die kulturellen Besonderheiten kennen. Viele der befragten Unternehmen stellen ihr Go-To-Market in Frankreich aktuell auf den Prüfstand und stoßen Veränderungen an. So werden Vertriebsstrukturen angepasst, Händler-Strategien ausgebaut oder in Frage gestellt. Auch geschickte Kombinationen aus Direktvertrieb und Händlernetzwerk werden entwickelt und etabliert.

Meyer: „Wir merken, dass aktuell viel Bewegung im Frankreichgeschäft ist, um aus diesem riesigen Absatzmarkt mehr herauszuholen. Unternehmen mit Frankreichumsätzen im einstelligen Millionenbereich stellen sich nun anders auf, um den Markt mit mehr Systematik zu bearbeiten und streben eine Verdoppelung oder Verdreifachung der Umsätze an. In Frankreich ist Vertrieb im Mittelstand oft sehr opportunistisch geprägt. In vielen französischen mittelständischen Unternehmen gibt es kein strukturiertes Business Development und die Vorgehensweise im Vertrieb ist anders als in Deutschland. Business Development wird in Frankreich vielfach mit Kaltakquise gleichgesetzt und die strategische Herangehensweise fehlt in manchen Unternehmen völlig. Wir halten die kulturelle Mischung für den Erfolgsweg. Betreiben Sie strukturiertes, methodisches Business Development für Frankreich und gehen Sie die erarbeiteten Leads mit einem dynamischen französischen Team vor Ort an.“

5. Vorteile lokaler Präsenz

Frankreich ist, nach Erfahrungen der Gesprächspartner, den eigenen Unternehmen treu. Unternehmen, die keine Niederlassung in Frankreich haben und „nur“ aus Deutschland heraus in den Markt verkaufen, stellen oft fest, dass sie gegenüber französischsprachigen Wettbewerbern „abgestraft“ werden, da französische Kunden gern bei französischen Unternehmen kaufen. Unternehmen, die in Frankreich mit einem eigenen Produktionsstandort vertreten sind, berichten von einer signifikant verbesserten Wettbewerbssituation, die sich klar auf die verstärkte Präsenz in Frankreich zurückführen lässt.

6. Neue Märkte

Aufgrund der französischen Sprache gewinnt Frankreich als Sprungbrett nach Nordwestafrika zunehmend an Bedeutung. Gerade der marokkanische Markt ist sehr weltoffen, eng mit Frankreich verbunden und bietet mit seiner strategischen Lage an der Grenze zwischen Europa und Afrika ein hohes Entwicklungspotenzial für deutsche Unternehmen. Aufgrund der globalen politischen Entwicklungen haben zahlreiche Branchen die Maghreb-Staaten als neue Absatzmärkte mit Potenzial identifiziert. Dank der Sprachkenntnisse nutzen viele Unternehmen die französische Niederlassung als Ausgangspunkt für die Entwicklung dieser Märkte.

7. Hohe Personalkosten

Durch hohe Personal- und Lohnnebenkosten (es gibt keine Beitragsbemessungsgrenzen) beschreiben viele Befragte den französischen Markt als sehr teuer. Das Arbeitsrecht wird von vielen Unternehmen als sehr komplex und mit vielen Stolpersteine für ausländische Unternehmen bewertet.

Meyer: „Entscheidend ist es, die Gesamtkosten als Unternehmen zu betrachten und die Gehälter entsprechend zu gestalten. Wir stellen fest, dass Bruttogehälter in Frankreich i.d.R. 10 – 20 Prozent unter den Gehältern liegen, die für vergleichbare Positionen in Deutschland üblich sind. Im Vertrieb ist der variable Anteil in Frankreich oft höher, als es in Deutschland der Fall ist.“

8. Führung und Zusammenarbeit in Frankreich

Dass der französische Markt auch kulturelle Unterschiede mit sich bringt, wissen und sehen die deutschen Unternehmer vor allem, wenn es um Führung und Zusammenarbeit geht. Einige bemängeln eine „Mentalität von Landesfürsten“: Wissen wird nicht geteilt, es fehlt an Transparenz und das Führungspersonal lässt sich nicht in die Karten schauen. Kleine Einheiten führen ein autonomes Leben. Häufige Personalwechsel erschweren eine langfristige Planung und behindern den Aufbau stabiler Teams. Insbesondere was den Vertrieb betriff, werden eine höhere Performance und eine größere intrinsische Motivation der Mitarbeiter gewünscht. Zum Glück gibt es auch Unternehmen, die seit langem mit sehr gut etablierten Vertriebsteams in Frankreich arbeiten und sehr zufrieden mit der interkulturellen Zusammenarbeit sind.

Meyer: „Unserer Erfahrung nach entstehen viele der geschilderten Probleme durch zu wenig Zusammenarbeit, mangelnde Kommunikation und Wertschätzung. Sie treten vor allem dann auf, wenn das Team in Frankreich klein ist. Die Schwierigkeiten lassen sich durch eine engere Anbindung der französischen Niederlassungen an die deutsche Muttergesellschaft und eine stärkere Kooperation entschärfen. Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht, dass französische Mitarbeiter mit mehreren Schnittstellen in Deutschland parallel vernetzt sind und aktiv zusammenarbeiten (Produktmanagement, Marketing, Vertrieb, Entwicklung…). Unternehmen, die ihre Prozesse und Strukturen dahingehend anpassen, verbessern nicht nur die Motivation der Mitarbeiter, sondern fördern auch Transparenz und Teamarbeit.

Ein weiterer Hebel ist die Führungsebene. Einige der befragten Unternehmen setzen bewusst auf französische Führungskräfte, die prozessorientiert, mit hoher Transparenz und mit modernen Tools arbeiten und haben dies zu einem zentralen Anforderungskriterium für die Stellenbesetzung gemacht. So konnten sie nicht nur die Personalfluktuation senken, sondern auch mehr Kontrolle über die Abläufe gewinnen Die zentralistisch agierende, charismatische Leitfigur wird nicht mehr nachgefragt.“

Der französische Markt bleibt für deutsche Unternehmen attraktiv, jedoch sind noch viele Potenziale ungenutzt. Wer erfolgreich sein will, braucht ein stabiles und performantes Vertriebsteam, flexible Vertriebsstrategien und eine gute Anbindung an die Muttergesellschaft mit mehreren Schnittstellen. Diejenigen, die diese Herausforderungen meistern, können in Frankreich nicht nur bestehen, sondern auch nachhaltig wachsen.

Aufzeichnung

  • Für Führungskräfte
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  • Thema International

Frankreich-Vertrieb optimieren

Experten-Runde: Praxisbeispiele und Lösungsansätze zur erfolgreichen Vertriebsarbeit im französischen Markt.

Verfasst von:

Nina Meyer
Vorständin, Partnerin, Personalberaterin
Liebich & Partner

Seit 2017 ist Nina Meyer bei Liebich & Partner tätig und leitet Executive Search- sowie Recruitingprojekte im In- und Ausland. Seit April 2024 verantwortet sie …

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