Fachbeitrag · 19. September 2023

Anpassungen im Gehaltssystem? Neue „Wert“-Schätzung der Mitarbeitenden

Die steigenden Forderungen von Bewerberinnen und Bewerbern bringen das Gehaltsgefüge in Unternehmen durcheinander. Doch auch, wenn es sich gerade so anfühlt: Geld ist nicht alles.

Die Nachfrage nach Fach- und Führungskräften ist ungebrochen. Egal, ob potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten latent wechselwillig im oder aktiv suchend auf dem Markt sind, das Wissen um die Vielzahl der Stellenangebote treibt ihren Preis nach oben. Zählte direkt nach Corona noch Freiraum zu den wichtigsten Wechselgründen, pendelt der Zeiger angesichts steigender Lebenshaltungskosten inzwischen Richtung Gehalt.

Viele Unternehmen visieren dagegen nach wie vor Zielgehälter an, die deutlich von dem differieren, was der Markt verlangt. Ein Grund: Das interne Gehaltsgefüge soll nicht aus dem Gleichgewicht geraten. Zahlen sie neuen Mitarbeitenden exorbitant mehr als langjährigen Beschäftigten in vergleichbaren Positionen sind im Unternehmen Unmut, Unzufriedenheit und vermehrte Fluktuation vorprogrammiert. Klingt vernünftig, führt aber nicht an der Problematik „Marktgerechte Vergütung“ vorbei. Auch zufriedene Mitarbeitende wissen, dass ihr Wert im Arbeitsmarkt steigt. Die Vergütung ist laut HR-Report 2023 der Hays AG nach dem Betriebsklima zum zweitwichtigsten Instrument der Mitarbeiterbindung aufgestiegen.

Ein Lösungsansatz ist, das vorhandene Gehaltssystem auf den Prüfstand zu stellen und gegebenenfalls weiterzuentwickeln. Erste Frage: Wo stehen wir intern? Ein Gehaltssystem ist über die verschiedenen Funktionen eines Unternehmens hinweg fair und in sich stimmig, wenn sich der Wert der jeweiligen Aufgabe für das Unternehmen, unabhängig von der Person, die sie erfüllt, in den funktionsbezogenen Gehaltsbändern widerspiegelt. Werden Unwuchten festgestellt, sollten diese nach und nach ausgeglichen werden. Zweite Frage: Wo stehen wir im Vergleich zum Markt? Bleiben die gezahlten Entgelte im Benchmarking mit anderen Arbeitgebern zurück, müssen Unternehmen austarieren, wie weit sie ihre Gehälter zumindest an die Marktwerte annähern können. Manche Unternehmen setzen dabei auf variable Vergütungselemente. Diese leistungsbezogen zu definieren, hat sich außerhalb des Vertriebs bislang noch nicht bewährt. In der Praxis zahlen Führungskräfte, auch wenn es unberechtigt ist, lieber leistungsbezogene Zulagen als Mitarbeitende zu verlieren. Ein weiterer Ansatz liegt in der Entwicklung von unternehmensbezogenen New-Pay-Konzepten, bei denen in Abstimmung mit den Mitarbeitenden individuelle Vergütungsmodelle erarbeitet werden.

Über Geld spricht man nicht, war lange die Regel in Unternehmen. Heute bringen Transparenz und ehrliche Kommunikation weiter. Auf ihrer Basis kann man an Mängeln arbeiten, Gehaltsabweichungen argumentieren und alternative Anreize setzen. Führung spielt bei Letzterem eine zentrale Rolle. Geld ist nicht alles: Ein gutes Betriebsklima steht bei der Mitarbeiterbindung nach wie vor an erster Stelle.

Menschen kann man nicht verwalten. Durch Anerkennung, ernst gemeinte Mitarbeitergespräche oder professionelles Feel-Good-Management lässt sich manche Gehaltslücke schließen.

Martin Roth
Partner, Personalberater – Recruitment Consultant, Executive Search & Interim Management
Liebich & Partner

Damit ein Gehalt als fair empfunden wird, muss das gesamte Paket stimmen. Es in Abwägung der Erwartungen der Mitarbeitenden und der Möglichkeiten des Unternehmens zu schnüren, ist eine Führungsaufgabe.

Michael Schuh
Partner, Managementberater, Coach
Liebich & Partner

Der Artikel ist Teil unseres Magazins LuPe, Ausgabe 35. Das Magazin steht zum kostenfreien Download für Sie bereit. Wir freuen uns über Ihr Interesse.

LuPe 35

„mehr“

Gerade im Personalmanagement von Unternehmen geht es darum, neue Wege in eine Zukunft zu finden - ohne konkretes Bild.

Lesen

Magazin LuPe: Regelmäßige Impulse zu Managementthemen

Abonnieren Sie unser Magazin LuPe – ob print oder digital – für Sie kostenfrei und profitieren Sie von regelmäßigen Impulsen zu Managementthemen. Für Menschen, Unternehmer und Verantwortungstragende, die den Blick nach vorne mögen, die Auseinandersetzungen pflegen und Perspektivenwechsel zulassen. Zu den Ausgaben und zum Abonnement gelangen Sie hier.

Verfasst von: Martin Roth, Michael Schuh

Weitere Artikel

Fachbeitrag · 8. März 2023

Führungsnachwuchs – ein sich verknappendes Gut

Führungskräfte treiben in Unternehmen Entscheidungsprozesse voran, motivieren und nehmen die Menschen mit.

Fachbeitrag · 28. April 2022

Brauchen die Generationen YZ eine andere Führung?

Eine Frage, zwei Meinungen. Die Debatebattle ist eröffnet. Eine Einladung zum Diskurs mit offenem Ausgang.

Praxisbeispiel · 27. Juli 2019

Performance und Leadership stärken!

Die Sparte eines Weltkonzerns. Der Markt entwickelt sich dynamisch. Der Wettbewerb verschärft sich. Der Margendruck