Strategisches HR-Management: den Sprung ins Neue wagen
Jammern reicht in Zeiten des Personalmangels nicht. Höchste Zeit, dem strategischen HR-Management mehr Gewicht zu geben.
Nina Meyer hat täglich mit dem Top-Management in Unternehmen zu tun. Sie ist Expertin für nationale und internationale Personalsuche, selbst Unternehmerin und Mutter von zwei Kindern. Ihr Spezialgebiet sind schwierig zu besetzende Führungspositionen in komplexen Branchen auf nationaler und internationaler Ebene. Als Grenzgängerin zwischen zwei Kulturen berät sie nicht nur Unternehmen in Deutschland, sondern auch in Frankreich. Seit 2023 gehört sie der Geschäftsleitung der Management- und Personalberatung Liebich & Partner AG an.
Nach sechs Jahren überwogen für mich die Vorteile der Selbstständigkeit und ich entschied mich, Teil der Unternehmens- und Personalberatung Liebich & Partner AG zu werden. Am Anfang habe ich mich als Unternehmerin wie befreit gefühlt. Ich erlebte einen ungeheuren Motivationsschub, denn nun hatte ich die Möglichkeit, beruflich eigenverantwortlich zu sein und zugleich, dank Liebich & Partner, mit einem Team zu arbeiten. Ich agiere also nicht als Einzelkämpferin, sondern stehe in engem, täglichem Austausch mit meinen Kollegen – was mich persönlich auf allen Ebenen bereichert. Wir sind um die 20 Beratende mit verschiedenen Kompetenzen, Hintergründen und auch sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten. Durch die seltene Kombination von Management- und Personalberatung können wir umfassend beraten und ganzheitliche Lösungen bieten, die die Menschen und Unternehmen erfolgreicher machen. Wir decken nicht nur das Headhunting ab, sondern begleiten beispielsweise auch in Strategie- und Transformationsprozessen oder entwickeln neue Führungskonzepte. Ich fühle mich sehr wohl in unserer Organisation. Aus diesem Grund habe ich auch bereits 2019 Anteile an der AG erworben.
Meyer: Es geht in unserer Branche vor allem um Glaubwürdigkeit. Die Mandanten müssen mir im ersten Schritt zutrauen, dass ich die optimale Lösung für sie finde und ihr Unternehmen im Kandidatenmarkt imagegerecht und auch realistisch repräsentieren kann. Entscheidend ist daher, dass ich als Beraterin mit meinen Kompetenzen und Erfahrungen überzeuge und natürlich mit meiner Persönlichkeit zu den Mandanten und zu deren Organisation passe. Oft hilft es in diesem Zusammenhang, wenn man Gemeinsamkeiten hat oder der gleichen Generation angehört. Natürlich gibt es auch in unserer Branche „hard facts“: die Methodik, ein schlagkräftiges Research-Team mit entsprechenden technischen Tools, Datenschutz-Konformität etc. Ist die Kundenbeziehung einmal etabliert, dann sind es die Resultate, die für uns als Organisation sprechen und aus einem Mandanten einen Stammkunden machen. Grundsätzlich kann ich sagen: Je besser ich ein Unternehmen kenne, desto glaubwürdiger lässt sich dies am Markt platzieren, und dies zahlt auf einen optimalen Projektverlauf ein.
Meyer: In meinen Executive-Search-Projekten ist es leider immer noch so, dass es viel mehr Kandidaten als Kandidatinnen für Top-Positionen gibt. Das ist sehr schade, aber einfach eine Tatsache.
Meyer: In Deutschland sind viele Frauen leider in einer sehr entscheidenden Berufsphase wenig karriereorientiert. Meiner Meinung nach wird dies vor allem durch die Erwartung unserer Gesellschaft geprägt. Ich habe schon mehrfach Führungspositionen z.B. im Bereich Einkauf besetzen dürfen. Das ist ein Berufszweig, in dem Frauen zahlenmäßig sehr gut vertreten sind. Viele hochqualifizierte Frauen haben mir abgesagt, da eine Führungsrolle mit dem Familienmanagement nicht vereinbar sei.
In Gesprächen mit Kandidatinnen stelle ich definitiv einen anderen Stil fest. Frauen sind Empfängerorientierter und achten verstärkt darauf, wie ihre Botschaften bei mir als Zuhörerin ankommen und wie ich reagiere — dies finde ich sehr angenehm, und da könnte sich der ein oder andere eine Scheibe von abschneiden.
Meyer: Ja, die Haltung der Gesellschaft ist in Frankreich anders: Der Staat in Frankreich ist dabei sehr verlässlich und bietet schon lange dauerhaft und ganztägig Kinderbetreuung in allen Regionen an. Anders, als das in Deutschland der Fall ist. Außerdem herrscht die verbreitete Meinung, dass man, auch wenn man Kinder hat, Karriere machen sollte. So ist beispielsweise die Betreuung der Kinder außer Haus kein Diskussionspunkt.
In Deutschland fällt häufig ein Großteil der Family-Organisation den Frauen zu, vor allem Teilzeitbeschäftigungen sind hierfür immer gern genommene Argumente. Es ist, denke ich, als Frau wichtig, immer ganz bewusst eine gesunde Portion Egoismus beizubehalten und sich nicht den Schuh der perfekten Familienmutter anziehen zu lassen. Die familiäre Aufgabenverteilung ist in Frankreich sicherlich auch noch nicht optimal, aber ich denke, es geht in die richtige Richtung. Ver- gleichbare Gehälter liefern den Frauen gute Argumente, um hierfür zu kämpfen. Das führt dazu, dass dort der Anteil von weiblichen Führungskräften um mehr als zehn Prozent höher liegt als hier in Deutschland. 1
Meyer: Die Vereinbarung von Familie und Beruf ist ein selbstverständliches Thema für die Franzosen. Ich habe den Eindruck, dass Französinnen es sich im Alltag etwas leichter machen. Sie gehen mit vergessenen Frühstücksdosen, Turnbeuteln, Hausaufgaben, nicht wettergerechter Kleidung etc. entspannter um, erziehen zu mehr Selbstständigkeit. Und viele Eltern nutzen die Zeitfenster der staatlichen Kinderbetreuung bis 18 Uhr vollständig aus und das, ohne sich dabei ein schlechtes Gewissen zu machen. Viele Frauen steigen deshalb direkt nach dem Mutterschutz wieder zu hundert oder zu achtzig Prozent in den Job ein. Doch sicherlich auch, weil es kein mit dem Elterngeld vergleichbares System gibt.
Meyer: Wenn mehr deutsche Unternehmen bereit wären, ihre Führungspositionen auch in Teilzeit auszuschreiben, gäbe das einen guten Schub. Mit einem Teilzeitansatz von 80 Prozent lassen sich auch Stellen mit viel Verantwortung gut ausfüllen. Und wenn in einer Familie sogar beide in Teilzeit arbeiten können, lassen sich die Lasten besonders gut verteilen. Ausschlaggebend ist auch eine gewisse Flexibilität hinsichtlich der Arbeitszeiten und des -ortes. Seit der Pandemie bieten bereits viel mehr Unternehmen die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten an. Gemein- same Meetings sollten weniger häufig in den Randzeiten stattfinden, damit die Termine für alle zu stemmen sind. Ferner müssen Unternehmen und Organisationen ihre festen Strukturen aufbrechen und besonders an der modernen Führung sowie der Unternehmenskultur arbeiten, damit Leistungsträger bleiben und auch zukünftig kommen mögen. Aber da sind wir bereits auf einem guten Weg, wie ich bei unseren Kunden der Executive Search und der Unternehmensberatung beobachten kann.
1 Quelle: Statistisches Bundesamt: Frauen in Führungspositionen in der EU. |
In Deutschland sind viele Frauen leider in einer sehr entscheiden- den Berufsphase wenig karriereorientiert.
LesenVerfasst von:
Carolin Reiter, Fachzeitschrift Lebenswerk, Ausgabe 1 / 2024
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