Experten Interview · 23. November 2023

Deglobalisierung, Industrie 5.0 und KI: Welche Chancen ergeben sich für Unternehmen?

Deglobalisierung, KI, Industrie 5.0.

Transformation ist für Unternehmen das Schlagwort der Stunde. Wo lassen sich die größten Treiber erkennen? Und welche technologischen Umbrüche kommen auf die Organisationen zu? Eine wertvolle Einschätzung dieser Entwicklungen gibt Professor Wilhelm Bauer. Er zeigt das Potential für Unternehmen auf — vor dem Hintergrund aktueller Forschungsergebnisse verknüpft mit einem engen Austausch mit führenden Unternehmen. Professor Bauer ist Leiter des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO und stellvertretender Leiter des Instituts für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement IAT der Universität Stuttgart sowie Mitglied des Aufsichtsrats der Liebich & Partner AG. Er verantwortet Forschungsprojekte in den Bereichen Innovationsforschung, Technologiemanagement sowie Leben und Arbeiten in der Zukunft.

Welche Auswirkungen für Unternehmen besitzt in diesem Zusammenhang die Deglobalisierung?

Prof. Bauer: Schon nach der Finanzkrise, aber noch mehr durch die Corona-Pandemie und jetzt auch durch die aktuellen und vielleicht noch drohenden Kriege auf der Welt, ist es vielen bewusst geworden, dass die extreme Globalisierung nicht mehr nur mit wirtschaftlichen und wohlstandsorientierten Chancen verbunden ist. Die weltweite Verflechtung der Lieferketten und aufgebaute Abhängigkeiten von einzelnen Lieferanten bergen auch erhebliche Risiken für Unternehmen, für Länder und für den Globus als Ganzes. Die Deglobalisierung läuft schon und nimmt wohl derzeit noch weiter Fahrt auf. Damit geht zunächst auch eine Reduktion der wirtschaftlichen Wachstums- und Wohlstandseffekte einher, die durch die Globalisierung seit der Industrialisierung erzielt wurden.

Was können Unternehmen tun, um aus dieser Deglobalisierungsfalle zu gelangen und ihre Marktpräsenz zu sichern?

Prof. Bauer: Unternehmen, aber auch ein exportstarkes Land wie Deutschland als Ganzes, brauchen eine teilweise Neuorientierung auf lokale, europäische Märkte sowie auf neue Märkte im Sinne einer Chancenmaximierung und einer Risikodiversifizierung, z. B. in Afrika, Indien oder Mittel- und Südamerika. Das bedeutet aber auch, dass ganz neue Wertschöpfungspotenziale entwickelt und gehoben werden müssen. Grundlegende Themen hierfür sind regenerative Energie inkl. Wasserstoffwirtschaft und die Kreislaufwirtschaft. Ich denke, dass wir intelligentere Wertschöpfungen benötigen, mehr digital aufgeladene Wertschöpfung, mehr kreislauforientierte, mehr lokal-wertschöpfende, mehr sozio-ökonomische Wertschöpfung.

Von der Fabrik der Zukunft wird auch als Industrie 5.0. gesprochen. Was zeichnet diese aus? Und welche Chancen eröffnen sich damit Unternehmen?

Prof. Bauer: In den letzten gut 10 Jahren haben wir uns mit der Industrie 4.0 beschäftigt, also mit der zunehmenden Vernetzung von Maschinen und Anlagen mit dem Internet, mit der digitalen Welt. Und viele Unternehmen stehen dabei auch noch am Anfang und niemand ist hier wirklich schon ganz durch. Es gibt also hier noch sehr viel zu tun, gerade die Nutzung von KI kann noch sehr viel mehr Automatisierungspotenzial eröffnen. Trotzdem erscheint am Horizont schon der nächste große Trend der Entwicklung hin zur Fabrik der Zukunft, das nennen wir jetzt die Industrie 5.0. Ihr Fokus liegt vor allem auf der optimierten Zusammenarbeit zwischen Technologien und Menschen. Eine wichtige Rolle spielt dabei die intelligente Nutzung von Daten. Damit wird die Produktion nachhaltiger und resilienter zugleich.

Welche Potentiale der KI eröffnen sich Unternehmen in den kommenden Jahren? Wie kann insbesondere der Mittelstand davon profitieren?

Prof. Bauer: KI eröffnet Unternehmen die Potenziale zur Effizienzsteigerung, Kostenreduktion und zur Entwicklung innovativer Produkte und Dienstleistungen. Der Mittelstand kann von KI profitieren, indem er Prozesse automatisiert, um Wettbewerbsvorteile zu erzielen, und indem er Datenanalyse nutzt, um fundierte Entscheidungen zu treffen. KI kann personalisierte Kundenansprache ermöglichen und den Kundenservice verbessern. Durch Kooperationen mit KI-Startups und die Förderung digitaler Kompetenzen der Mitarbeitenden kann der Mittelstand diese Möglichkeiten nutzen, um wettbewerbsfähig zu bleiben und zu wachsen.

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Die demografische Entwicklung und die Digitalisierung bilden aus meiner Sicht ein Wirkungsduo, denn die kleiner werdende Fachkräftebasis kann nur durch eine konsequente Digitalisierung ausgeglichen werden. Lösungen mit Unterstützung durch künstliche Intelligenz, also KI, sind dabei besonders wichtig. Auch die Menschheitsaufgabe Dekarbonisierung hat einen notgedrungenen Partner, nämlich die Deglobalisierung.

Wilhelm Bauer, Prof. Dr.-Ing. Prof. e. h
Leiter des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, stellvertretender Leiter des Instituts für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement IAT
der Universität Stuttgart, Aufsichtsrat der Liebich & Partner AG
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Verfasst von:

Wilhelm Bauer, Prof. Dr.-Ing. Prof. e. h.

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