Experten Interview · 7. Dezember 2023

HR als Treiber und Gestalter der Zukunft

Innovative Umsetzung der Führungskräfteentwicklung

Die Anforderungen an HR sind in Zeiten des Fachkräftemangels schon jetzt hoch. Sie werden im Zeichen von Digitalisierung und Transformation in Zukunft noch weiter zunehmen. Wie HR diese Aufgaben meistern kann und welche Voraussetzungen dafür notwendig sind, erklärt Dr. Thomas Gawron im Interview. Der Experte begleitete und setzte digitale Transformationen erfolgreich um. Er kann auf mehr als 30 Jahre Erfahrung als Führungskraft in verschiedenen Dax- und M-Dax Unternehmen zurückblicken. Dr. Thomas Gawron ist Managementberater, Leadership-Trainer und Key-Note Speaker.

HR spielt eine wichtige Rolle in einer zukunftsorientierten Unternehmensstrategie. Welche Voraussetzungen müssen dafür geschaffen werden, damit sie diese Stellung auch einnehmen kann?

Gawron: HR-Bereiche müssen in der digitalen Transformation ihre Rolle im Unternehmen verändern wollen und können. Sie entwickeln sich vom operativen Prozessbegleiter zum agilen Businessdienstleister.

Die Personalbereiche müssen näher ans Kerngeschäft des Unternehmens heranrücken, die unmittelbaren Konsequenzen des eigenen Handelns und Tuns auf das Kerngeschäft des Unternehmens besser verstehen und schneller und flexibler als bisher auf Businessherausforderungen reagieren. Keine Frage: Standardisierte HR-Prozesse sind wichtig, ja sogar erfolgskritisch. Aber dennoch wird heute in den Personalabteilungen zu viel Aufmerksamkeit auf operative Prozesskonformität beim eigenen Handeln wie auch im Umgang mit den Mitarbeitenden und Führungskräften gelegt, anstatt die Belegschaft mit einem tiefen Verständnis für das Business und einem ausgeprägten Dienstleistungsgedanken zu begeistern. Agile (HR-)Businessdienstleister „kämpfen“ beispielsweise um die besten Bewerber auch außerhalb etablierter Rekrutierungsprozesse – sie treffen sich mit externen Bewerbern am Wochenende, wenn diese aus beruflichen Gründen kurzfristig kein Treffen innerhalb der Woche einrichten können. In diesem Beispiel limitiert nicht der unternehmensinterne HR-Standardprozess das Vorgehen der Personalabteilung. Vielmehr orientiert sich das Handeln am Businessverständnis etwaiger negativen Folgen einer verspäteten Einstellung auf den Quartalsumsatz oder die Mitarbeiterzufriedenheit im Unternehmen. Erfolgreiche HR-Organisationen denken nicht primär vom (etablierten) operativen HR-Prozess her, sondern richten ihr Denken und Handeln am konkreten Businessproblem aus, welches gerade auf dem Tisch liegt. Das setzt jedoch voraus, den Handlungsdruck aus dem Business auch als Handlungsdruck für das Personalwesen zu begreifen. Ein Motto im Personalbereich könnte daher heißen: mehr Fokus auf „internal-business-centricity“ anstatt des Ausbaus des (häufig nervigen) „customer-self-service“ im Unternehmen.

Wie kann sich HR als wichtiger Treiber der digitalen Unternehmenstransformation einbringen?

Gawron: Die Personalbereiche verstehen sich in großen Teilen noch als eine Organisationseinheit, deren Aufgabe es ist, die HR-Prozesse bestmöglich mit IT zu unterstützen, um die Anwendung entlang der Automatisierung zu standardisieren. Um standardisierte (HR-)Prozesse zu betreiben müssen die HR-Mitarbeitenden lediglich über ein notwendiges Mindestmaß an IT-Anwenderwissen verfügen. Dieses IT-Anwenderwissen reicht für die Gestaltung der digitalen Unternehmenstransformation jedoch bei weitem nicht mehr aus. Heutzutage werden in den Unternehmen ganze Prozessketten interdisziplinär transformiert – ohne ein tiefgreifenderes IT-Know-how in den Personalbereichen werden die HR-Vertreter in den Entscheiderkreisen nicht im erforderlichen Maße ernst genommen, falls sie aufgrund der häufig nicht zu übersehenden IT-seitigen Know-how-Defizite überhaupt noch mit am Tisch sitzen. In solchen Fällen laufen die HR-Bereiche der Entwicklung hinterher – mit der Konsequenz, keine Treiber oder Gestalter der digitalen Transformation zu sein, sondern als „ewig gestrige Organisationseinheit “ der Transformationsmusik hinterherzulaufen. Ein Motto der HR-Bereiche sollte daher heutzutage heißen: vom (HR-)IT-Anwender zum (Unternehmens-) Digitalisierungsgestalter.

Wie wird HR vom reinen Anbieter von HR-Services zum Motor für Kultur- und Werteentwicklung?

Gawron: Für welche Werte steht ein Unternehmen und woran erkennt man das als interner Mitarbeitender? Herrscht im Unternehmen eine ausgeprägte Willkommenskultur und woran können das neue Mitarbeitende sofort erkennen? Spielen gegenseitiges Vertrauen und eine offene Fehlerkultur im Unternehmen eine erkennbare Rolle und woran kann jeder Mitarbeitende diese Werte täglich erleben? Und welche Vorteile werden voraussichtlich für das Unternehmen entstehen, wenn sich die beschriebenen kulturellen und wertebasierten Verhaltensweisen über geringere Mitarbeiterfluktuation, höhere Mitarbeitermotivation etc. im wahrsten Sinne des Wortes auszahlen? Genau diese Fragen werden von modernen HR-Bereichen gestellt, diskutiert und in der Diskussion mit der Unternehmensleitung auch mit Hypothesen zu ihrer Beantwortung präsentiert. Auf diesem Wege werden die HR-Bereiche zum Motor für die Kultur- und Wertentwicklung, ohne die kaufmännische Bodenhaftung hinsichtlich resultierender Effekte zu verlieren.

Auch hier könnte man den HR-Bereichen ein Motto für die Zukunft zurufen: vom reinen HR-Dienstleistungsanbieter zum akzeptierten Unternehmenskultur- und -werteentwickler.

In Zeiten des Fachkräftemangels ist es entscheidend für Unternehmen, ihre Kernkompetenztragenden zu entwickeln und zu binden. Wie kann HR die eigene Arbeitgeberattraktivität steigern?

Gawron: Die Kompetenzentwicklung des Mitarbeitenden ist eine der wichtigsten, wenn nicht sogar die wichtigste Aufgabe von Führungskräften. Und gute Führungskräfte steigern reflexartig die Arbeitgeberattraktivität, denn zufriedene Mitarbeitende kommunizieren dies in ihrem Netzwerk und machen aus ihren positiven Erfahrungen mit dem Arbeitgeber keinen Hehl. Doch wo setzt gute Kompetenzentwicklung an und welche Rolle sollte dabei HR spielen?

HR-Bereiche sollten mehr Fokus auf die Führungskräfteentwicklung legen, denn die Rolle von Führungskräften entwickelt sich heutzutage immer mehr hin zum Kompetenzentwickler der Belegschaft. Daher empfehlen moderne, businessfokussierte HR-Bereiche den Führungskräften die Weiterentwicklung verschiedener Kompetenzfelder bei den Mitarbeitenden und unterstützen sie bei der Umsetzung dieses Vorhabens.

Wenn auch die Zusammenarbeit zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden nach unterschiedlichen Prozessen abläuft, sind die Erfolgsfaktoren guter Führung immer die gleichen. Oder anders formuliert: der Werkzeugkasten jeder Führungskraft ist immer gleich, die eingesetzten Werkzeuge — einzeln und in Kombination — unterscheiden sich jedoch in Abhängigkeit der Führungssituation und des sich daraus ergebenden, notwendigen Führungshandelns.

Dr. Thomas Gawron
Managementberater Digitale Unternehmenstransformation, Leadership-Trainer & Coach, Key-Note Speaker
Liebich & Partner

Auf welche Kompetenzbereiche legen Mitarbeitende für Ihre Weiterentwicklung wert?

Gawron: Insbesondere junge Mitarbeitende der Generationen Y und Z erwarten heutzutage, dass das Unternehmen sie nicht nur bei der Weiterentwicklung ihrer reinen Fachkompetenz (fachliche Inhalte des jeweiligen Verantwortungsbereiches) unterstützt. Besonders zufriedene Mitarbeitende berichten, dass sie vom Unternehmen auch bei der Weiterentwicklung ihrer Branchenkompetenz (Unternehmen, Märkte etc.), Methodenkompetenz (agile Arbeitsmethoden, Zeitmanagement etc.) und IT-Kompetenz (digitale Medien etc.) unterstützt und zielgerichtet weiterentwickelt werden.

Welchen Stellenwert nimmt die Sozialkompetenz Ihrer Einschätzung nach ein?

Gawron: Die immer weiter zunehmende Arbeit in interdisziplinären, abteilungsübergreifenden Teams in Unternehmen setzt voraus, dass alle Teammitglieder über ausreichende Kompetenzen im zwischenmenschlichen Umgang miteinander verfügen und diese Kompetenzen stetig verbessern. Auf diese Weise nimmt die Teameffektivität zu. Nicht alle Mitarbeitenden tun sich leicht im Umgang mit Kollegen, in der Äußerung ihrer fachlichen Meinung bei Widerstand in Gruppen usw. Aus diesem Grunde schätzen es Mitarbeitende sehr, wenn sich die Führungskraft als Partner bei der Weiterentwicklung von erfolgskritischen Mitarbeiterkompetenzen wie Kooperationsfähigkeit, Konfliktfähigkeit oder Kontaktfähigkeit aufstellt.

Welche weiteren Kompetenzen sind bei Mitarbeitenden zukünftig gefragt?

Gawron: Anders als noch vor 20 Jahren müssen Mitarbeitende heute viel häufiger Dinge umsetzen, ausprobieren, scheitern, nachbessern und wieder auf’s Neue ausprobieren – auf dem Weg zur Lösung. Das setzt bei den Mitarbeitenden voraus, dass man heutzutage mehrmals täglich vom Konzeptions- in den Handlungs- und Umsetzungsmodus umschalten können muss. Viele Mitarbeitende tun sich da schwer und benötigen dabei Unterstützung, um diesen neuen Anforderungen besser gerecht werden zu können. Wir sprechen hier zum Beispiel von Weiterentwicklungen des Mitarbeitenden auf den Feldern Entscheidungsfreudigkeit, Gestaltungswillen oder Ergebnisorientierung.

Der Erfolg eines Mitarbeitenden in Unternehmen hängt auch von seinen personalen Kompetenzen ab. Dies sind Kompetenzen, die er losgelöst von seinen Interaktionen mit anderen Personen „aus sich selbst heraus“ zeigt. In diesem Kompetenzfeld sprechen wir zum Beispiel über Themen wie Zuverlässigkeit, Einsatzbereitschaft und Lernbereitschaft. Auch auf diesen personalen Kompetenzfeldern schätzen es Mitarbeitende, von ihren Vorgesetzten wertschätzend unterstützt zu werden, um auch entlang dieser Kompetenzen ihre persönliche Leistungsfähigkeit weiterzuentwickeln.

Welchen Führungsmodellen gehört ihrer Meinung nach die Zukunft? Und wie kann HR ihre Umsetzung im Unternehmen vorantreiben?

Gawron: Die Zukunft gehört Führungsansätzen, die den Führungskräften die Erfolgsfaktoren von Führung vor Augen führen, ihr Denken und Handeln strukturieren und dann die Führungskräfte „machen lassen“. Erfolgreiche Führung von Mitarbeitenden ist immer von den gleichen Faktoren abhängig, egal ob zum Beispiel in agilen Projekten oder festen Organisationsstrukturen geführt wird. Wenn auch die Zusammenarbeit in den beiden Beispielen nach unterschiedlichen Prozessen abläuft, sind die Erfolgsfaktoren guter Führung immer die gleichen. Oder anders formuliert: der Werkzeugkasten jeder Führungskraft ist immer gleich, die eingesetzten Werkzeuge — einzeln und in Kombination — unterscheiden sich jedoch in Abhängigkeit der Führungssituation und des sich daraus ergebenden, notwendigen Führungshandelns. Ein solcher, moderner Ansatz erfolgreicher Führungskräfte in der digitalen Transformation ist das MAESTRO-Führungsmodell. Es fokussiert die Führungskraft auf die erfolgskritischen Felder ihrer Führungssituation und stellt auf dieser Grundlage Werkzeuge für das Führungshandeln des Vorgesetzten zur Verfügung. In welchem Umfang die Mitarbeiterführung dann zu einer Verbesserung der Führungssituation geführt hat, ermittelt die Führungskraft dann wieder entlang der Kriterien der Führungssituation.

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Bewährt hat sich das innovative und stabile Fundament von 9 Steuerungshebeln der Mitarbeiterführung.

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Über Dr. Thomas Gawron

Dr. Thomas Gawron begleitete und setzte digitale Transformationen erfolgreich um. Er kann auf mehr als 30 Jahre Erfahrung als Führungskraft in verschiedenen Dax- und M-Dax Unternehmen zurückblicken. Seiner Ansicht nach liegt ein entscheidender Faktor für den Erfolg von Unternehmenstransformationen in der Kompetenzentwicklung von Führungskräften und Teams. Basierend auf der Praxis entwickelte er mit dem MAESTRO-FORMAT ein skalierbares Modell für moderne Führungskompetenz. Dr. Thomas Gawron ist Managementberater, Leadership-Trainer und Key-Note Speaker.

Verfasst von:

Dr. Thomas Gawron
Managementberater Digitale Unternehmenstransformation, Leadership-Trainer & Coach, Key-Note Speaker
Liebich & Partner

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